Castlegate: Wandel im ältesten Teil Sheffields

Was macht die Frau denn da? Haben wir gleichzeitig und übereinander gedacht, wobei Hendrika schneller war. Sie hat den Schraubenzieher zur Seite gelegt, mit dem sie grade Werbebuchstaben an einem verwahrlosten Gebäude abschraubte und kam rüber zu mir, während ich gerade dabei war, Street-Art und Leerstand und Verfall  in Castlegate zu fotografieren. 

 

Castlegate ist der älteste Stadtteil Sheffields, mit einer Historie, die bis in das Mittelalter zurückweist. Über Jahrzehnte waren hier die Schlachthäuser angesiedelt, ab den 1960er-Jahren Markthallen. 2013 war Schluss, eine Halle wurde zwischenzeitlich abgerissen und vor einiger Zeit eröffnete stattdessen der Moor-Market als neue Indoor-Markthalle am anderen Ende der Innenstadt. 2017 dann der Startschuss zur Erarbeitung und Umsetzung eines neuen Masterplans: Grey to Green blooming into Castlegate. Entstehen solle in grüner Korridor, mit Pocket-Parks und ohne Autos.

Hendrika war und ist mit ihrem Verein Concrete Canvas aktiv eingebunden in die Erarbeitung des Masterplans. Sie gehörte auch zum Planungskommitees des Castlegate Festivals,  das vergangenen Monat stattgefunden hat, unterstützt von lokalen Geschäftsleuten, der Stadtverwaltung und dem gemeinnützigen River Canal Trust als Kampagne zur Feier von Historie und Zukunft. "Ein gut besuchter und kreativer, großartiger Monat. Neben Musik, Straßenmärkten  und Führungen zu Themen wir Historie oder Flora und Fauna im Quartier haben wir mit lokalen Künstler*innen eingeladen, sich kreativ mit den Veränderungen im Quartier auseinanderzusetzen, einige Ergebnisse findest du noch entlang der Sichtschutzwände, die die Brache nach dem Marktabriss verdecken."

 

Hat das Festival einen nachhaltigen Effekt? "Wir hoffen, den tausenden Besucher*innen einen Eindruck davon gegeben zu haben, wie Kunst und Kultur Räume und Plätze verändern können." Auch nach dem vierwöchigen Festival  melden sich noch Kreative, die in Castlegate weitermachen wollen, "wobei wir nur noch ein geringes Budget über die beteiligte Stiftung offen haben, aber du siehst ja, wir machen einfach weiter und eignen uns den Raum an." Was Hendrika da gerade eigentlich gerade angefangen hatte? "Wir hübschen das verfallene Gebäude, für das sich niemand verantwortlich fühlt, demnächst mit großformatiger Kunst auf, wie die umliegenden." 

 

Von Seiten der Sheffield Stadtverwaltung wünscht sie sich weniger Schwerfälligkeit, mehr Entgegenkommen. "Entscheidungen dauern viel zu lange. Wir schauen hier schon ab und an neidisch nach Manchester, wo Wandel viel schneller stattfindet." Und dennoch, Sheffield wandele sich positiv, hier tue sich etwas, die kreative Szene pflege ein Do it yourself-culture, eine lebenswerte Stadt. 

 

Hendrika gab direkt noch eine Empfehlung mit auf den Weg: "Wenige Fußminuten von hier beginnen die Kanäle. Ein völlig untergenutzter Raum bisher. In Zusammenarbeit mit dem River Canal Trust haben wir auch hier mit Kunst gearbeitet, um die Menschen zum Spazieren entlang des Kanals zu animieren, gedacht als Startsignal für die Weiterentwicklung der Kanäle, die völlig aus dem Blickwinkel geraten sind." 

 

Der Empfehlung bin ich dann auch gleich gefolgt, wobei es auf den Rückweg ins anliegende Industriegebiet ging, da vom Kanal aus ein Mural zu erkennen war. Ziemlich kurios - an der Hauswand eines metallverarbeitenden Betriebes, umgeben von Werkstätten und Großhandel, prangen die Logos von Sheffield United und Sheffield Wednesday, in Kombination mit weiteren Verweisen auf die Historie und weitere Bekannte Elemente der Stadt (so haben sich zb. die Artic Monkeys hier gegründet und mit Hendersohn´s Relish stammt eine in England beliebte Würzsoße aus einem Sheffield Familienbetrieb). Die Angestellten haben sich über Besuch gefreut und ihre Arbeit unterbrochen, als ich da stand und fotografierte und von Dimitri gab es direkt die Erläuterungen dazu: der Firmeninhaber habe sich von der Kunst entlang des Kanals inspirieren lassen. Mehrere tausend Pfund habe er bezahlt und man freue sich jetzt immer, wenn das Bild Neugierige ins Industriegebiet locke, was gar nicht so selten vorkomme. Ein spontaner Stopover in einem Sozialunternehmen, in dem Möbel aufbereitet und Wohnungseinrichtungsgegenstände aller Art verkauft werden, rundete den ungeplant aber umso ergebnisreicheren Tag ab, der gleichzeitig das Ende des dritten Monats einläutete. Vier Wochen England folgen noch und ich bin gespannt auf alle Zufallsbegegnungen, die da noch so kommen.