Zweiter Halt: Manchester - Hauptstadt des hippen Fußballs

Schon vor gut einer Woche ging es weiter nach Manchester, dem zweiten Langzeit-Halt der Reise - auch wenn Liverpool noch etwas "nachhängt" und Anfang Oktober daher noch einmal eine Rückkehr ansteht. Außerdem befinden sich noch ein paar Punkte im Notizbuch, die in den nächsten Tagen blogkompatibel aufbereitet werden wollen.

 

Mein neues Zuhause liegt im Stadtteil Stretford, im Süden der Stadt, Old Trafford im Blick, die altehrwürdige Heimspielstätte von Manchester United. Von hier aus gelangt man in knapp zehn Minuten zu Fuß nach Chorlton. Der District gilt als einer der hippsten Stadtteile des Landes, belegte 2018 Platz 10 unter den Top 20-Hipster-Destinationen. Und ja, ein Spaziergang durch Chorlton vermittelt Urlaubsflair, dank der Vielzahl an inhabergeführten Cafés, Pubs, Restaurants und Boutiquen. Eine High-Street ohne Leerstand, Ketten und Verfall ist hier zu besichtigen, wie auch der Guardian kürzlich feststellte: "A thriving with a mix of businesses backed by an independent ethos and community spirit." Spaßiges Gerücht am Rande: angeblich werden nirgendwo in Großbritannien mehr Exemplare der linksliberalen Zeitung verkauft als hier. 

 

Was neben dem lebendigen Straßenbild noch zum Wohlfühlfaktor Chorltons beiträgt? Der Fußball. Konkreter: ein Neuntligist, der sich politisch und sozial klar positioniert und seitdem seine Zuschauerzahl durchschnittlich verdreifacht hat, Tendenz steigend. Nach vielen Jahren der relativen Bedeutungslosigkeit erlebt der West Didsbury & Chorlton AFC als einer der ältesten Amateurclubs Englands ein Comeback und schreibt sein Ziel fest: "The vision of becoming the leading community club in the South Manchester area".

 

Der Erstkontakt mit dem Club lässt sich an einer Straßenlaterne verorten: über Sticker, auf denen neben dem Emblem Avocados zu sehen sind (im Clubheim gibt es selbstverständlich auch ein vegetarisch-veganes Angebot), Super-Mario oder die schwarz-rote Flagge der Antifaschistischen Aktion. Am Eingangstor geht es aber zunächst einmal um Bier: 5 Pfund Eintritt am Kassenhäuschen, dann eine freundliche Offerte am Bon-Tisch, heute 3 Bier-Chips zum reduzierten Preis. Krombacher, über das deutsche Bier ist der Gesprächsfaden zu Kath und Mike, zwei freundliche Club-Volunteers, schnell geknüpft. Kath hebt einen Mehrweg-Becher von ihrem Besuch bei Union Berlin hoch und bedauert, das man hier leider nur Plastik-Becher austeile. "Wir arbeiten daran, es hängt leider noch am Preis, denn der Club möchte nachhaltiger werden." Ich solle bitte unbedingt rüber gehen zu Matthew, der sei die treibende Kraft hinter dem Aufblühen des Clubs. 

 

Matthew hat gerade Thekendienst und freut sich sehr, dass seine Sticker Wirkung zeigen. Vor rund fünf Jahren war er mit einem Freund bei einem Spiel des Clubs, wo sie sich unter 80 Zuschauer*innen wiederfanden. "Rob und ich sind damals auf die Verantwortlichen zugegangen und haben gefragt, ob wir uns einbringen können, weil wir den Club wieder zum Mittelpunkt des Stadtteils machen wollten." Sie - wenig überraschend auch St. Pauli-Fans - haben dafür gesorgt, dass Zuschauer*innen von einer Regenbogen-Fahne sowie  Refugees Welcome-Plakaten empfangen werden, eine Discokugel an der Theke baumelt und vor dem Spiel über die Social Media-Kanäle betont wird, dass der Club keine Form der Diskriminierung duldet.

 

Obwohl zeitgleich die englische Nationalmannschaft in der Euro-Qualifikation spielt, haben sich 250 lautstarke Zuschauer*innen eingefunden. An einem Dienstagabend, Anstoss 19.45 Uhr. Gab es Widerstände gegen diese klare Positionierung? Keine. "Hier haben sich alle gefreut, dass der Club wieder so eine Relevanz hat. Beim letzten Heimspiel waren sogar 550 Leute da, der Durchschnitt liegt heute bei 200." Kein schlechter Schnitt, gemessen an der niedrigen Liga. 

 

Matthews Frau Amy derweil ist nicht weniger herzlich und erklärt, welche Charity-Aktionen rund um den Club laufen. "Vorne am Schiffscontainer werden Nahrungsmittel für die Tafel angenommen. Zwei Frauen aus Schottland haben die Period Poverty-Kampagne hergetragen, auf den Toiletten steht alles bereit." Kostenlose Damen-Hygieneartikel auf den Toiletten eines männlich konnotierten Raumes, von der Premier League bis zur neunten Liga - ausgehend davon, dass der Fußball von England ins Ruhrgebiet getragen wurde, sind wir dann bestimmt auch bald im Ruhrgebiet so weit : -) Selbstverständlich habe man auch eine Frauen-Mannschaft. 

 

West Didsbury & Chorlton gewinnt souverän mit 5:0 gegen Abbey Hulton United. Auf dem Heimweg gibts noch jede Tipps für die Recherche der kommenden Woche. Darunter Fußballclubs, die Community-Building ganz oben auf ihre Agenda gesetzt haben genauso wie Bücher und spannende Orte.