blink...and it's gone

Auf der Suche nach Regenschutz - in Nord- und Mittelengland war und ist derzeit Land unter - bin ich in dem Hinterhof einer früheren Besteckfabrik gelandet.  Sheffield ist bis heute bekannt für Messer, Gabel und Löffel, auch wenn die großen Fabriken längst nach Asien verlagert wurden und hier nur noch Operationsbestecke hergestellt werden. Heute werden Teile der Fabrik von einer Galerie mit angeschlossener Siebdruckwerkstatt und Rahmenservice genutzt, wie Banner und eine Glocke im Hof verraten. Libby öffnete die Tür und beim ersten Blick in die Räume war klar, dass auch diese Zufallsbegegnungen in den Kontext der Reise und Fragestellungen passt. 

 

Die Künstler*innen von APG Works setzen sich mit der Regeneration der Stadt auseinander, unter anderem mit "blink...and it´s gone", einer Serie an limitierten Drucken ikonischer Gebäude, die in den letzten Jahren aus dem Stadtbild verschwunden sind oder bald abgerissen werden sollen. Das Statement des Kollektivs, gleichzeitig ein Vorwurf Richtung Planung: "The disappearance of these buildings means that coming generations will miss out on important examples of 20th century architecture. All have been notable for the briefness of their existence. Since 1945 Sheffield has had a reputation for bold architecture and urban planning, but also for being perhaps too ready to dispose of potential future heritage assets." 

 

Die Serie ist ein "Verkaufsschlager", wie Libby erklärt, die gerne in Sheffield lebt und den "Do it yourself-Spirit" der Kunstszene schätzt. Die Stadt sei lebenswert, entwickele sich zum positiven, "mit Ausnahme der Innenstadt, denn hier fehlt die Community. Ich würde mir hier mehr wünschen als Shopping und Bars für Studierende."

 

Mir hat es besonders eine Grafik zum "Hole in the Road" angetan, die Libby erläuterte: Dem Hole in the Road trauern heute viele Menschen  in der Stadt nach. Oben ein riesiger Kreisverkehr, unten eine Passage mit Ladeneinheiten, in der Mitte offen mit natürlichem Lichteinfall. Absurderweise bestand eine Wand aus einem riesigen Aquarium. Gebaut wurde die Struktur in den 60ern und abgerissen in den 90ern, weil die Ladenzeilen immer mehr verkamen. Wahrgenommen als Schandfleck und trotzdem ein Verlust." 

 

Neben der Enttäuschung über den Abriss markanter Gebäude treibt Libby noch die eigene Situation um: "Wir sind nicht sicher, wie lange wie den Laden hier in Laufweite zum Bahnhof noch behalten können. Alle Gebäude drumherum wurden bereits abgerissen und durch Neubauten ersetzt, vermutlich wird auch bald die Fabrik verschwinden. So werden unabhängige Läden aus dem Zentrum verdrängt und es wird immer beliebiger und leerer." Für Libby keine Frage der Gentrifizierung - die drohe in Sheffield noch lange nicht und man finde schon eine neuen Ort - mehr eine der fehlenden Kommunikation und Wertschätzung der kreativen Szene der Stadt, die maßgeblich für die positive Entwicklung Sheffield verantwortlich sei, aber mit ihren Bedürfnissen zu wenig in die Planung einbezogen werde. 

 

Auf dem Rückweg in der Tram, den Hole in the Road-Print als Reisesouvenir auf dem Schoss, wurde ich dann auf einer 15-minütigen Fahrt ganze dreimal darauf angesprochen - Baukultur-Dialog in der Tram, könnte ich mir gut als niederschwelliges Beteiligungsformat vorstellen, scheint zu funktionieren. Und die Tram ist es letztlich auch, der das Hole in the Road weichen musste - die Struktur wurde aufgefüllt, der Kreisverkehr aufgelöst und heute fährt die Bahn darüber.