Was hat Manchester, ausgezeichnet den besten Strukturwandel einer europäischen Industriestadt, anders gemacht als beispielsweise das Ruhrgebiet? Manchester, the "poster child for urban regeneration", hatte zwischen 1971 und 1981 50.000 Arbeitsplätze und 17,5 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Soziale Exkursion, leere Quartiere, Gewalt und ein negatives Image waren die Folge, wie Fred Paxton für das britische Online-Magazin Citymetric zusammengetragen hat.
Heute bietet die Stadt an jeder Ecke urbanes Flair, ansprechende Architektur, gute Restaurants, Bars und Clubs und ist einer dieser Orte, an denen man spontan bleiben will, gerne auch auf Dauer. Dabei ist die Frage sehr facettenreich und leider gar nicht so einfach zu beantworten, weshalb ich derzeit viel zum Thema lese und durch die verschiedenen Viertel laufe. Ein Mittagessen mit Kathy und Mike, die ich bei West Didsbury & Chorlton AFC kennengelernt hatte, erschien mir Anfang der Woche wie eine nette Abwechslung. Was mir zu Beginn nicht klar war: die beiden haben einen wissenschaftlichen Hintergrund und haben sich intensiv mit Fußball im sozialen Kontext befasst, was das Gespräch umso kurzweiliger machte.
Die beiden wollten wissen, wie weit ich inzwischen gekommen bin bei der der Beantwortung meiner Leitfrage und ich fasste kurz einen Aufsatz von Owen Hatherley zusammen, nach dessen Meinung der "Höhenflug" Manchesters nicht mehr von langer Dauer sein wird. Denn die Stadt berufe sich seit Anfang der 90er-Jahre auf ihre extraordinäre Musik- und Subkulturszene, von der aber nicht mehr viel übrig sei, weil Freiräume ökonomisiert werden: "We are dealing with an unintentionally finished product, the most complete attempt to redesign an entire city on the basis of an alliance between property development, the culture industry and ubiquitous retail." Hatherley weiter: "Regenerated cities produce no more great pop, music, great films or great art than they do industrial product, although they may produce notable art galleries or museums."
Mike und Kathy wiederum sind überzeugte Macunians und lassen nicht gelten, dass es heutzutage kaum Subkultur mehr in der Stadt gebe: "Vielleicht nicht mehr deutlich permanent sichtbar, aber als temporär autonome Zonen, die sich nur für wenige Stunden im Monat offenbaren." Der Begriff wurde von Hakim Bey geprägt, der den Festivalcharakter im ansonsten leeren Raum hervorhebt. Kathy und Mike haben in in ihrem Essay "Against modern football" auf (niederklassige) Vereine wie West Didsbury, FC United of Manchester und SV Altona in Hamburg übertragen. "Du siehst Rasen und leere Sitze, nur zweimal im Monat für wenige Stunden kommen die Anhänger her, die grade bei West im Arbeitsalltag oft Anzug tragen, und codieren den Raum nach eigenen Regeln als kurzlebigen Freiraum neu. Sie wissen, wo sie suchen müssen, ohne das der Ort Außenstehenden auffällt." Eine interessante Theorie, die, in Kombination mit Tristans Idee für ein alternatives Stadtmapping, durchaus Potenzial für eine künstlerische Umsetzung bietet - als Mapping von temporär autonomen Zonen in einzelnen Ruhrgebietsstädten beispielsweise.
Literatur:
Tyldesley Kath, Tyldesley Mike, « “Against Modern Football”. A “utopia-in-the-gaps”? », Sociétés, 2015/4 (No 130), p. 105-109. URL : https://www.cairn.info/revue-societes-2015-4-page-105.htm
Hatherley, Owen (2011): A Guide to the New Ruins of Great Britain. Verso Books.