Die Redaktion von Ethos liegt auf dem Gelände der ehemaligen Cains Brewery im hippen Baltic Triangle, in der oberen Etage einer alten Lagerhalle, in deren Erdgeschoss sich ein Café befindet. Auf dem gesamten Areal reihen sich Bars, Vintage-Shops und Restaurants aneinander. Klar, dass im Gespräch mit Andrew Beattie auch das Thema Stadtentwicklung zur Sprache kommt.
Das Areal rund um die Cains Brewery und die umliegenden Straßenzüge habe eine rasante Entwicklung hinter sich und stehe dementsprechend unter ökonomischen Druck. So ist Andrew sich nicht sicher, wie lange der Redaktionsraum noch gehalten werden kann, da die Halle im Gegensatz zu anderen Teilen des Geländes keinen Denkmalschutzstatus hat und daher auf lange Sicht ein Verkauf und/oder Abriss zugunsten von Wohnbebauung im hochpreisigen Segment drohe.
In diesem Kontext steche das Modell von Baltic Creative einige hundert Meter weiter heraus: Bereits Anfang der 2000er, bevor die sprunghafte Entwicklung des Baltic Triangle startete, hat sich hier ein kreativ-digialtes Kollektiv zusammengefunden, dass die Entwicklung voraussah und auf den schnellen Erwerb von Gebäuden und Grundstücken setzte. "Eigentum als Community-Cluster, das ist hier der Schlüssel, um zu bestehen", erläutert Andrew. Überhaupt sei das Bilden von Kooperativen (also Genossenschaften nach deutschem Recht) ein starkes Mittel im Kampf für Freiraum, "they make sense, despite of their old-fashioned image."
In Bezug auf die generelle Entwicklung Liverpools merkt er an, dass die Stadt von ausländischen Investoren nahezu aufgekauft werde. Stadtverwaltung und Politik hätten deren Sprechweise mittlerweile 1:1 übernommen. Da werde beispielsweise von einer chronischen Knappheit an Bürogebäuden gesprochen - "a chronic shortage, sounds like a serious disease". Dabei sei jetzt schon abzusehen, dass es sich um eine Blase handele, einige Gebäude seien noch unfertig und stehen bereits jetzt seit Jahren leer.
Verantwortliche sollten sich lieber fragen, was Städte als "truly unique" auszeichne - Kultur, Architektur, ein Nachtleben, in einer Stadt wie Liverpool sicher auch Fußball und ein niedriges Miet-Preisniveau. "Du besuchst keine Stadt oder ziehst dorthin, weil sie besonders viele moderne Bürogebäude hat, die dann als Spekulationsobjekte auch noch leer stehen". Die Stadtoberen schwer getroffen habe es zuletzt, das der Sender BBC 4 seinen Standort nach Leeds verlegt hat, obwohl sich auch Liverpool beworben hatte. Andrew: "Dass in eine solche Entscheidung nicht nur die Verfügbarkeit von Bürogebäuden reinspielt, sondern auch Aspekte wie eine fahrradfreundliche Infrastruktur und die allgemeine Lebensqualität scheint nicht überall bewusst."
Zum Abschluss merkt er an, dass Grundsatzentscheidungen für die bald nur noch am Rande des großen Europas schwimmende Ecke zu treffen seien: "Wie wollen wir leben? Wollen wir neue Modelle finden für ein soziales und ökonomisches Miteinander? Oder uns zu einem zweiten Singapur entwicklen, ein steuerfreies Paradies, das den Investoren gehört?".