A Happy Accident - Val in Grapes Garden

Am Rande der südlichen Liverpooler Innenstadt liegt Toxteth. Der Stadtteil gilt als strukturschwach und sozialer Brennpunkt. Traurige Bekanntheit erlangte er im Jahr 1981 während der Toxteth Riots, schweren Auseinandersetzungen zwischen People of Colour und der Polizei. Auslöser hierfür waren eine vorherrschende Perspektivlosigkeit unter den Einwohner*innen und rassistisches Verhalten. 

 

Toxteth war und ist darüber hinaus vom Housing Market Renewal Programm der Regierung betroffen, auf dessen negative Folgen für Quartiere und Gesamtstadt an späterer Stelle noch ausführlich eingegangen wird. Noch 2011 schrieb Marcus Theurer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einem sterbenden  Viertel als synonym für soziale Verwahrlosung. 

 

Wie im Norden der Stadt so fällt allerdings auch im verrufenen Toxteth auf, dass sich Gemeinschaftsinitiativen gegründet hatben Eine davon bespielt den Grapes Community Food Garden, dessen Initiator*innen für den heutigen Mittag zu einer offenen Pizza-Party einluden.

 

Bei Grapes Garden handelt es sich um einen wunderbar-wilden Gemeinschaftsgarten, der früher mal der Parkplatz eines längst geschlossenen Pubs war. Mit kleinem Gewächshaus, Solarkochstelle und steinernem Pizza-Ofen, gepflegt von 10-15 Freiwilligen.  Diese geben zudem Anbau- und Kochkurse für die Nachbarschaft und laden regelmäßig zum gemeinsamen Essen auf Spendenbasis sein. Es dürften mehr als 50 Gäste gewesen sein - vom Kind bis zur Seniorin - die ab Mittag in den Garten strömten. Es gab selbstgemachte Salate, gefertigt aus der Gartenernte, und Pizza. Der Teig hierfür konnte zuvor eigenhändig ausgerollt, belegt und das Resultat mit Gartenkräutern verfeinert werden. Dazu Live-Musik. 

 

Nach dem Essen sprach mich Val an. Nach einer kurzen Schilderung meines Vorhabens war sie direkt Feuer und Flamme. Val nennt sich Community Activist und hat eine simple wie überzeugende Erklärung dafür, warum Sozialunternehmen und Gemeinschaftsprojekte in Liverpool förmlich wie Pilze aus dem Boden schießen: Man sei materiell arm und habe sich daran gewöhnt. Dennoch halte man Augen und Ohren offen nach allem, was das Leben einfacher und schöner mache und teile Ideen. 

 

Vals Credo, das sie als Akteurin in verschiedenen Netzwerken und Projekten antreibt: "Community makes a difference!" Projekte wie Kittys Launderette in Nord-Liverpool seien von unschätzbarem Wert für die Menschen, denn sie bekämpften die Einsamkeit, die wiederum mentale wie körperliche Gesundheit beeinflusse. Wer alt und einsam seie, traue sich häufig nicht, sich in eine Café zu setzen und mit Fremden in Kontakt zu kommen. In einem Waschsalon mit mit Aufenthaltsbereich sei das anders: Die Menschen kommen herein, haben etwas in der Hand und eine klare Aufgabe, nämlich das Befüllen der Maschine. Das baue Hemmschwellen ab und bringe Nachbar*innen ins Gespräch. Denn eine Gemeinschaft definiere sich über die Gespräche, nicht über Straßenblocks. 

 

Für Liverpooler*innen, auch Scousers genannt, gelte: "Wir never rely on city government." Und dann schlägt Val den Bogen zum Fußball: Der lange Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer und Familien der Hillsborough-Katastrophe seit dem Jahr 1989 habe die Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt verstärkt. Erst im Jahr 2006 war das Urteil gefallen, in dem der Polizei, nicht den Fans, die Schuld an dem Tod von 96 Menschen zugesprochen wird. 

 

Zum Abschluss nennt sie noch eine ganze Reihe von interessanten Orten und Initiativen in Liverpool - und bietet dann kurzerhand an, mir diese persönlich zu zeigen. In der kommenden Woche sind wir erneut verabredet und ich freue mich sehr über diese zufällige Begegnung, die Val Happy Accident nennt.