Würde man mich nachts um 3h aus dem Tiefschlaf reißen - die 50+1-Regel auf Englisch wäre ganz sicher drin, so oft habe ich die in den letzten Wochen rezitiert. Vielen Engländer*innen ist gar nicht mehr bewusst, dass bei Bundesligisten nicht in schöner Regelmäßigkeit die Besitzverhältnisse wechseln. Und nicht nur die, denn hier kann es auch vorkommen, dass ein Club die Stadt wechselt. So geschehen im Jahr 2002, als der FC Wimbledon beschloss, nach Milton Keynes zu ziehen - also seine Heimspiele künftig nicht mehr im Londoner Süden, sondern 100 Kilometer weiter nördlich auszutragen.
Die Fanszene wehrte sich und gründete Englands ersten Grassroot-Club im Fanbesitz, den AFC Wimbledon, während der der FC Wimbledon seinen Namen in Milton Keynes Dons änderte und beide Clubs heute nur noch eine innige Feindschaft in der dritthöchsten Spielklasse verbindet. Aus Wimbledon kam wenige Jahre später auch Know-How und Starthilfe für den FC United of Manchester.
Am Wochenende stand ein kleiner Tagesausflug zum AFC Wimbledon an, für einen 3:2-Sieg gegen den AFC Rochdale. Passend dazu macht seit Montag die Labour-Party gerade wieder "radikale-gute" Schlagzeilen: Jeremy Corbyn will den Fans den Rücken stärken. Seine Partei fordert, die Gremien der Clubs mit mindestens zwei Mitgliedern aus Fanverbänden zu besetzen. Außerdem sollen Premier Clubs verpflichtet werden, 5% der Einnahmen aus den Fernsehrechten an Grassroot-Clubs weiterzureichen. Daneben enthält das Paket der Forderungen noch ein Verbot von Webseiten, die überteuerte Tickets verkaufen und die Verpflichtung der öffentlichen sender, die Spiele der Frauennationalmannschaft im Free-TV auszustrahlen.
Corbyn in seiner in Newcastle gehaltenen Rede, dokumentiert im Guardian: "A football club is more than just a club, it is an institution at the heart of our communities. Clubs are the social fabric that binds us together. They are to important to be left in the hands of bad owners who put their business interest ahead of everything else, marginalize supporters and even put the financial security of clubs at risk." Die Entwicklung des englischen Fußballs und die politische Debatte um den Sport zu verfolgen ist spannend - mehr Geld für Amateure, mehr Mitbestimmung für Fans, neue Vereinsmodelle.
Der Aufschwung von Clubs in Fanhand ist derweil ungebrochen und beeindruckend - der AFC Wimbledon hat gerade äußerst erfolgreich seine Crowdfunding-Kampagne beendet, um im Jahr 2021 in ein neues Stadion zu ziehen. 5.200 Investor*innen (so werden alle bezeichnet, die sich beteiligt haben, ob mit 10 Pfund oder 1000 Pfund) haben 2,5 Millionen Pfund für den Stadionbau gesammelt. Das neue Stadion mit einer Kapazität von 9.000 Zuschauern wird seitens der Stadt eingebettet in einen Masterplan zur Entwicklung des gesamten Umfeldes.