Ein sozialer Anspruch, übersetzt in eine Geschäftsidee, formuliert und realisiert durch ein Künstler*innenkollektiv in engem Kontakt mit der Nachbarschaft: Kitty´s Launderette als Musterbeispiel für einen Ort nach dem von Tristan Brady-Jacobs formulierten Dreiklang. Im und um den Waschsalon im Liverpooler Norden, nur wenige Fußminuten vom Stadion des Liverpooler FC entfernt, wurde nichts dem Zufall überlassen. Selbst der Bodenbelag erzählt ein Stück der 2016 begonnen Entstehungsgeschichte.
Rund um Homebaked, einer als Kooperative nach britischem Recht betriebenen Bäckerei mit Schlüsselfunktion für die Entwicklung der Stadtteile Everton und Anfield (Text hierzu folgt) entstand im Jahr 2016 das Bedürfnis, einen weiteren sinn- und gemeinschaftsstiftenden Ort zu entwickeln, erzählt Mitgründern Grace Harrison. In Gesprächen mit Anwohner*innen sei hierbei vielfach der Wunsch nach einem Wachsalon als Begegnungsort geäußert worden, denn längst nicht jeder Haushalt könne sich ohne weiteres eine Waschmaschine leisten und Dreckwäsche falle darüber hinaus überall an, unabhängig von Status und Einkommen.
Bei Gesprächen mit Historiker*innen stellte sich die Tragweite der Idee heraus: Liverpool besaß das landesweit erste öffentliche Waschhaus - eröffnet von Kitty Wilkinson, der "Heiligen der Slums". Einem Beinamen, der der in Irland geborenen Arbeiterin verliehen wurde, weil sie als einzige ihres Viertels einen Boiler besaß und während eines Cholera-Ausbruchs im Jahr 1832 bereitwillig die gesamte Nachbarschaft einlud, bei ihr in Haus und Garten die Kleidung heiß und mit Chlor zu reinigen - ihre Großzügigkeit rettete somit erwiesenermaßen Menschenleben.
Kitty, deren Werdegang und Geschichte bis dato nur unzureichend erforscht war, wurde also zur Namenspatronin auserkoren während eines 3,5 Jahre andauernden Realisierungsprozesses, den Grace als "wirklich frustrierend lang, aber im Nachhinein genau richtig" beschreibt. Denn in dieser Zeit sei das Salon-Konzept perfektioniert, eine Immobilie gesucht und das Fördergerüst eingeworben worden. "Wir wären zwar gerne früher gestartet, aber merken erst jetzt, dass die Reifezeit gut getan hat." Das Gründungskapital für Renovierung und Einrichtung stammt aus mehreren Töpfen, der Großteil von der Power to Change-Stiftung, aber auch auch von einem Crowdfunding und kleineren Gemeinwohlinitiativen.
Im vor wenigen Monaten eröffneten Salon arbeiten neun Personen: "In Teilzeit oder nur wenige Stunden die Wochen, je nach persönlichen Umständen und Bedürfnissen. Es war uns wichtig, Menschen aus dem Quartier zu beschäftigen, ihnen eine gute, flexible und sichere Anstellung zu bieten", so Grace. Kitty´s Launderette bietet dabei nicht nur Waschmaschinen und Trockner zur Selbstbedienung an, sondern auch einen Wasch-, Bügel- und Imprägnierservice. Hier wird ökologisches Waschmittel verkauft, es stehen Getränke bereit, Sitzbänke und Tische, um ins Gespräch zu kommen. Mit den vergleichsweise teuren Services soll der günstige Preis pro Maschine querfinanziert werden. Wer sich dennoch keine Wäsche leisten kann, wird bei Kitty´s nicht abgewiesen.
Auch Film- und Spieleabende hat es schon gegeben, das soziale Rahmenprogramm soll schrittweise ausgebaut werden. Darüber hinaus wird im Salon wissenschaftliche Forschung betrieben, um die mit der Namenspatronin verknüpfte Geschichte der Stadt aufzuarbeiten: Einmal die Woche arbeitet Kerrie hier an ihrer Doktorarbeit, für die sie vorbeischauende Nutzer*innen zu ihren Erinnerungen an öffentliche Waschhäuser in Liverpool befragt. Die Ergebnisse dienen als Basis für eine Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen ab Ende diesen Jahres.
Grace zum Status Quo des Gesamtprojektes: "Erfreulicherweise kommt der Salon so gut an, dass auch Leute aus anderen Vierteln vorbeischauen und Service buchen, nur um uns finanziell zu unterstützen." Auf lange Sicht solle die 'Worker Community Cooperative' (hier haben sowohl die Mitarbeiter*innen als auch Mitglieder*innen Mitspracherecht) sich selbst tragen, wobei man zur Überbrückung noch auf eine Notreserve aus der Crowdfunding-Zeit zurückgreifen könne.
Überhaupt, das Crowdfunding (spendenbasierte Gruppenfinanzierung über Online-Plattformen wie startnext.com). Hier wurden gezielt die Stärken der beteiligten Künstler*innen ausgespielt, erzählt Grace: "Das Storytelling und der ästhetische Anspruch dahinter waren das Erfolgsrezept. Wir haben unsere Idee visualisiert, über Kurzfilme Bilder in den Köpfen freigesetzt, kein Detail dem Zufall überlassen." So steckt hinter der gesamten Einrichtung und den farbigen Wänden ein Konzept, nach dem "alle Altersstufen" sich wohl und willkommen fühlen sollen. Instagrammable, aber kein hipper, beliebiger Trend-Chic.
Als Dankeschön für die Spender*innen der Crowdfunding-Kampagne wurden wertige Geschenke entwickelt: Waschtaschen mit grafischem Seifen-Muster, Postkarten mit einem Handzeichnung von Kitty, Kerzen mit dem Geruch frischer Wäsche (gefertigt in einer kleinen englischen Manufaktur, die nach dem Umsatzrückgang bei Kirchenkerzen neue Nischen sucht), ein "Kitty-Zine" mit Bildern und historischen Texten. Alles nach wie vor im Salon zu erstehen - wobei die Waschtaschen sich sogar so gut verkauft haben, dass nun erstmal nachproduziert werden muss.
Grace stammt aus Leeds und hat zuvor in verschiedensten Projekten mit Geflüchteten gearbeitet. Ihre dabei entwickelten organisatorischen Fähigkeiten kann sie im Salon einbringen. Außerdem sei es ein gutes Gefühl, in einem Vorhaben mitzuarbeiten, das auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt sei und nicht nur bis zum Ende einer Förderperiode laufe. Ihr Fazit: "Hinter vielen Crowdfunding-Kampagnen steckt eine tolle Idee, aber eine beliebige und uninspirierte und Darstellung. Eine Partnerschaft könnte vielen Gründer*innen nach vorne bringen. Und Künstler*innen ihren Beitrag zu sozialverträglichen und fairen Gründungsmodellen leisten." Kreative sollten zudem häufiger über permanente Modelle denken, schließlich verfügten sie von Hause aus über hohe Flexibilität, Organisationstalent und Experimentierfreudigkeit.
Hier schließt sich zu guter Letzt auch der Kreis zu Liverpool mit seiner Vielzahl an kunstvoll umgesetzten Sozialunternehmen: In den Fußboden der Launderette wurden als symbolische Verbindung farbige Kachelstücke eingelassen: Bruchstücke aus Workshops in der Granby-Street im Süden der Stadt, wo ein Community Land Trust gegen steigende Mieten und für eine neue Vision zur Entwicklung des Stadtteils kämpft.