Dead Pigeon Gallery: Kunst als Brücke

Über Instagram war ich auf die Dead Pidgeon Gallery (DPG) gestoßen: eine mobile Galerie, die Kunst an unerwartete Orte bringt. Ausgestellt werden dabei, in bunt gemischter Hängung, sowohl die kleinformatigen Bilder wenig bekannter Künstler*innen als auch Werke von renommierten Namen. Wie schon zuvor, spielt darüber hinaus auch beim Konzept der DPG der Klassengedanke eine entscheidende Rolle: "Society needs creative expression from all classes, not just the privileged", heißt es in der Projektbeschreibung. Derzeit macht die DPG im Dreieck zwischen den Stadtteilen Anfield, Everton, Walton und Kirkadale Station, und zwar in den Büroräumen von Dan Carden, Mitglied des britischen Parlaments (MP, Labour Party). 

 

Ein spannender und wichtiger Ansatz und Grund genug für einen Besuch -während dem sich gleich innerhalb von Minuten herausgestellt hat, dass Jayne Lawless, die hinter der DPG steht, eng verbunden ist mit allen Themenfeldern, die mich in Liverpool interessieren: Ihre Arbeit ist geprägt von ihrer Zeit bei Homebaked, dem Sozialunternehmen, dass als Katalysator der Liverpooler Szene gilt. Sie engagiert sich in kreativen Community-Building Projekten, leitet derzeit beispielsweise einen kostenfreien Zeichen-Club unter freiem Himmel. Und sie ist persönlich betroffen vom britischen Housing Market Removal Programm (HRM) - dort, wo ihr Elternhaus gestanden hat, befindet sich heute ein Parkplatz des Liverpooler FC. "Ich bin noch immer noch aufgewühlt und tief getroffen von all dem, was meine Familie in den letzten Jahrzehnten mitmachen musste. Kunst war während dieser Zeit mein Ventil, mit diesen Gefühlen klar zu kommen." (Ein weiterer Blog-Text hierzu folgt.)

 

Jayne, die die DPG ins Leben gerufen hat, während sie noch in Texas lebte und arbeitete und hier eine altes Feuerwehrhaus umnutzte, zum Konzept: "Everyone deserves great art." Aufgewachsen in einer Working Class-Familie, verstehe sie sich als Brückenbildnerin zwischen der "arty farty" Kunstwelt und Menschen, die bisher wenig Berührungspunkte hiermit hatten. Im Büro von Dan Carden funktioniere des hervorragend - was vor allem daran liege, das hier reger Publikumsverkehr herrscht, seit vor geraumer Zeit Stadtteilbüros aus Kostengründen geschlossen wurden. Weshalb die Anwohner*innen sich nun gezwungen sehen, mit lokalen Problemen den jeweiligen MP aufzusuchen, um Gehör zu finden.  "Sie kommen zur Tür rein, sind häufig aufgewühlt und entdecken dann die Kunst - dieser kurze, unerwartete Moment gibt uns die Chance, sie willkommen zu heißen, auf einen Tee  einzuladen und eben auch über Kunst zu sprechen", so Jayne. 

 

Nach dem Termin in der DPG hat Jayne sich Zeit genommen für einen langen Spaziergang durch den Stadtteil, mir dabei Hintergründe zum Abriss ihre Elternhauses erläutert, die mir - obwohl ich mich im Rahmen der Masterarbeit bereits über Wochen hinweg mit dem HRM beschäftigt hatte - so nicht klar waren und mich zum Sketch Club mitgenommen. Ein sehr schönes Format, dass sich adaptieren und in Kombination mit der DPG auch für Kooperationen nutzen ließe: So bringt Jayne die Teilnehmer*innen - deren Zahl variiert, da es sich um ein anmeldefreies Angebot handelt - zu verschiedenen Orten im Stadtteil. Nach einer kleinen zeichnerischen  Aufwärmübung  bittet sie sie, auf Campingstühlen Platz zu nehmen und zu zeichnen. "20 Minuten, nur für euch, kommt zur Ruhe. Eure Skizze, euer Fokus - ganz ohne Zwang zur Perfektion." Dabei schaut Jayne jeweils kurz und im Flüsterton vorbei und gibt auf Wunsch Technik-Tipps. Die Bandbreite der Ergebnisse begeistert dabei genauso wie der Kreis der Teilnehmenden: von Jugendlichen, die herausfinden wollen, ob ein Kunststudium für sie in Frage kommt, bis zur Seniorin war eine äußerst homogene Mischung, die Jaynes Anspruch von Kunst für Alle, als Ventil und Brückenbauer bestens widerspiegelt.