Angekommen im neuen Zuhause auf Zeit: Einem Zimmer in einem für Großbritannien typischen Back-to-Back Haus. Die steile Treppe ist so schmal, dass mein Koffer breiter ist, was beinahe schon zu einem kleinen Haushaltsunfall geführt hat. In den kommenden vier Wochen lebe ich im Norden Liverpools im Stadtteil Everton und damit in Lauf- und Blickweite zu Anfield.
Eine Lage, die bewusst gewählt wurde, denn In Liverpool und im Speziellen im Norden zeichnet sich seit Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung ab: Stadt und Quartiere fungieren als ein Hotspot für Sozialunternehmen. Deren Inhaber*innen reagieren mit ihren Geschäftsmodellen auf den harten Sparkurs der Regierung und stadtplanerische Fehler der Vergangenheit. Auf der Plattform Liverpool Long Reads ist hierzu kürzlich ein Artikel erschienen mit dem schönen Titel "Sparks Of Hope: Regenerating North Liverpool". Andrew Beattie fasst hierin zusammen: "Communities are fighting back in north Liverpool against a backdrop of government austerity and mishandled regeneration projects. From bakeries to laundrettes, community newspapers to ecological gardens, community business across Everton, Anfield and Kirkdale are finding innovative ways to build assets and grow the area from inside out." Die im Text aufgegriffenen Projekte Homebaked und Kitty´s Launderette stehen daher ganz oben auf meiner ToDo and Talk-Liste.
Das Heseltine Institut der Universität Liverpool hat ermittelt, dass im Großraum Liverpool über 80 aktive Sozialunternehmen existieren. Eine entsprechende Zahl für das Ruhrgebiet zum Vergleich zu ermitteln, gestaltete sich Vorfeld der Reise schwierig. So teilte das rund 350 Mitglieder starke Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) mit, dass sich genaue Zahlen am besten punktuell bei Städten und Netzwerke wie dem Impact Hub Ruhr erfragen lassen und noch keine Gesamtaufstellung existiere. Die SEND-Suchfunktion für Sozialunternehmen wirft unter 'Stadtentwicklung' für NRW kein einziges Ergebnis aus, deutschlandweit immerhin sieben Ergebnisse.
Passend dazu ist kürzlich der Atlas of Social Innovation erschienen, herausgegeben von der TU Dortmund. In ihm wird unter anderem sowohl die britische als auch die deutsche Sozial-Innovationslandschaft untersucht. So schreibt Charlotte Heales: "The UK has a claim of having one of the most advanced environments for social innovations in the world. The social enterprise sector is strong and increasingly well supported." Dem gegenüber gelte für Deutschland, herausgearbeitet von Jürgen Howaldt und Judith Terstriep: "Yet, public policy has only recently shown interest in the concept of social innovation culminating in the broadened understanding of innovation, laid out in the country's national 'High-Tech Strategy'.
Ich freue mich darauf, nach und nach eine Vielzahl von Sozialunternehmen in Anfield und Everton zu besuchen, deren Konzepte die sozialen und strukturellen Problemlagen in den Quartieren aufgreifen und sie hier vorzustellen.