Beds United: Zu Gast bei Maja und Steward

Während meines Aufenthalts in Milton Keynes nehme ich an "Beds United" teil, einem zum Festival of Creative Urban Living gehörendem Programmpunkt, bei dem private Gastgeber*innen auswärtige Gäste nach dem Prinzip Couchsurfing aufnehmen und durch ihren Stadtteil führen. Die Idee stammt von Raumlabor Berlin und soll dabei helfen, die Stadt zu verstehen, in der man vor lauter Bäumen die Menschen nicht sieht. 14 Millionen existieren nach Schätzungen der Verwaltung noch, von 22 Millionen, die seit der Gründung von MK vor 50 Jahren gepflanzt wurden. 

 

Die ersten Gastgeber: Maja und Steward. Zwei Tage durfte ich in ihrem gemütlichen Zuhause im Stadtteil in Fullers Slade verbringen, in denen ich das Gefühl hatte, im Schnelldurchgang ein Uni-Seminar zu Regeneration, Planung und Beteiligung zu durchlaufen. Im besten Sinne, denn das Zuhause der beiden wird von Nachbar*innen als "activist quarter" bezeichnet. In Fullers Slade formiert sich Protest gegen städtische Pläne zur Regeneration des Quartiers durch Abriss und Verdichtung.

 

Maja über die Kernprobleme: "Einige der Häuser sind in Privatbesitz übergegangen, nachdem Margret Thatcher in den 1980er-Jahren das Right to buy-Programm aufgelegt hat. Dazwischen liegen Blocks, die vermietet sind. Und genau diese Sozialwohnungen wurden durch die Stadt über Jahrzehnte nicht gut in Schuss gehalten, was bereits am Zustand der Fassaden deutlich abzulesen ist ist. Die Lösung soll jetzt in einem radikalen Abriss mit anschließender Verdichtung bestehen statt darin, den Bestand zu renovieren. Die Infrastruktur der einzelnen Estates in Milton Keynes ist außerdem den neuen Plänennicht gewachsen. Die einzelnen Estates besitzen zb. jeweils eine Grundschule. Was, wenn sich geplant die Zahl der Einwohner*innen in unserem Viertel verdoppelt? Milton Keynes wurde für den Autoverkehr gebaut, das öffentliche Verkehrsnetz ist sehr dünn, wie kommen die Kinder in andere Schulen und wo liegen diese?"

 

Um Alternativen aufzuzeigen, druckt Steward 3D-Modelle. "Pläne überfordern doch die meisten Menschen, weil sie zu komplex zu lesen sind. Durch Modelle versteht jede*r, worin die Unterschiede liegen." Der pensioniere Lehrer hat sich einen 3D-Drucker zugelegt und in die Programme eingearbeitet. Mit beeindruckenden Ergebnissen - und damit lohnens- und durchaus nachahmenswert. In den vergangenen Jahren habe ich als Mitarbeiterin eines Planungsbüros zahlreiche Beteiligungsverfahren kommunaler Auftraggeber betreut und ärgere mich beim Blick auf Stewards Modelle auf der Stelle, nicht selbst die Idee und den Ehrgeiz entwickelt zu haben, mit 3D-Druck zu arbeiten, der weitaus schneller und kostengünstiger zu realisieren ist als konventioneller Modellbau. 

 

Am nächsten Morgen kommt Mitstreiter Berry hinzu und teilt seine Erfahrungen aus über 40 Jahren an der Spitze großer Entwicklungsgesellschaften und Immobilienunternehmen sowie als Hochschuldozent für Architektur und Städtebau. Ein intensives Gespräch mit vielen Fallbeispielen aus England, aus dem ich mitgenommen habe, dass Planer*innen bei Großprojekten die die Umsetzung und Konsequenzen einmal aus der Sicht aller Nutzer*innen durchspielen sollten ("Prüfe konsequent: wirkt sich die Veränderung auf ein 5-jähriges Kind aus? Wo spielt es künftig, welche Wege muss es bewältigen, wo überquert es die Straße, wo fährt der Bus, wo befinden sich Arztpraxen, usw. Wiederhole das bis ins hohe Alter und aus der Sicht von Eltern mit Kinderwagen, Menschen im Rollstuhl, etc.).

 

Berry plädiert außerdem für den Einsatz unabhängiger, dritter Projektmanager*innen bei der Entwicklung und Implementierung von Masterplänen. Deren Aufgabe sollte vorrangig darin liegen, das Design disziplinübergreifend zu überprüfen. Das beste Beispiel für die Notwendigkeit hierfür kommt aus Fullers Slade selbst: Maja, Berry und Steward haben die städtischen Verantwortlichen mit ökologischen Fragen herausgefordert und über ihre Modelle nachgewiesen, dass die Aufstockung von Wohngebäuden zu dauerschattigen Straßenzügen und Spielplätzen führt, was wiederum auch Auswirkungen auf Grünflächen und Baumbestand hat. "Mit der Sonneneinstrahlung hatte sich zugegebenermaßen bisher noch niemand beschäftigt." Die Planung wird dementsprechend derzeit angepasst. 

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