Ortsbesuch: Bristol Bike Project

Die letzten zwei Wochen der Reise sind eingeläutet, unter anderem stehen ein paar Tage in Bristol auf dem Programm. Die BBC hat kürzlich die Nominierungen für den UK Social Enterprise Award 2019 bekannt gegeben hat, das Bristol Bike Project ist in der Kategorie Transformative Community Business darunter und es ergab sich die Möglichkeit, dort auf einen Kaffe vorbeizuschauen. 

 

Kyrsia, Community Manager beim BBP, nahm sich Zeit für Fragen zur Entstehung, Entwicklung und Finanzlage des als Community Interest Company registrierten Unternehmens. Wie der Name vermuten lässt werden hier Räder repariert und verkauft, aber auch Workshops zur Radreparatur angeboten. Gegründet wurde das Unternehmen vor zehn Jahren, als Reaktion auf eine behördliche Veränderung, die schwerwiegende Folgen auf das Leben geflüchteter Menschen in Bristol hatte: Die Meldestelle, bei der sie in regelmäßigen Abständen persönlich vorstellig werden müssen, wurde vor die Tore der Stadt verlagert. "Acht Kilometer von der Innenstadt entfernt, und das bei teuren Bustickets und mangelhafter Verbindung. Dazu der Zeitaufwand. Wer arbeitete, befürchtete Probleme im Job wegen der regelmäßigen stundenweisen Abwesenheit", erzählt Kyrsia. Da einer ihrer Mitgründer sich bei Bristol Refugee Rights engagiert, habe man von den Problemen und Ängsten auf direktem Wege mitbekommen und überlegt, wie man helfen könne. Dabei sei aufgefallen, dass viele Geflüchtete kein Rad besitzen, meist aus Kostengründen - die Idee war geboren. Zumal Bristol, anders als die Topographie vermuten lässt, durchaus zu den Fahrradstädten des Landes gehört. 

 

Ein Geschäftsmodell, dass mittlerweile vollständig ohne Zuschüsse und Förderungen auskommt - ähnlich wie in Liverpool hatte auch hier unter anderem die Stiftung Power to Change das Startkapital bereit gestellt, wobei mittlerweile 80% des Umsatzes selbst erwirtschaftet werden, die restlichen 20% kommen durch unregelmäßige Großspenden und regelmäßige, monatliche  Kleinspenden der Kooperativen-Mitglieder (vergleichbar mit einem Spenden-Abo) zusammen. Der größte Umsatz wird über den Verkauf von Fahrrädern erzielt, die das BBP ebenfalls von Spender*innen erhält. "Bis zu 100 Räder werden uns monatlich vorbeigebracht. Oft sind wir sprachlos, weil diese noch nahezu neuwertig sind, wenn zum Beispiel Austauschstudent*innen die Stadt wieder verlassen. Kürzlich kam jemand mit einem besonders hochwertigen Rad vorbei, dass ein Geschenk an ihn und handgearbeitet war. Da es nur in der Garage stehen würde, sollten wir doch lieber daran verdienen. Ein rührender Moment", so Kyrsia. 

 

Wer sich für reguläre Reparaturworkshops anmeldet, zahlt hierfür. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich gegen einen Kostenbeitrag stundenweise in die Werkstatt einzumieten. Als Unternehmen mit dem Anspruch, den Gewinn in das Quartier zurückfließen zu lassen und Gemeinschaft zu stärken, stehen darüber hinaus weitere Termine und Programme auf der Agenda: Über das Format 'Earn a bike' werden Geflüchtete in das Reparieren und Warten von Rädern eingeführt und dürfen das "Übungsmodell" im Anschluss behalten. Kyrsia: "Über die WomXns-Night sprechen wir insbesondere auch Tans- und nichtbinäre Menschen an, zu uns zu kommen. Hier geht es nicht nur um das Reparieren, sondern auch um das Gemeinschaftsgefühl und die Sicherheit. Letztere ist zum Beispiel einigen Women of Colour abhanden gekommen, die als Kinder zwar das Radfahren gelernt, aber sich dann aus Angst vor Stigmatisierung nicht mehr auf den Sattel getraut haben." 

 

Insgesamt 20 Personen sind beim BBP inzwischen angestellt, mit individuellen Verträgen zwischen 3 und 20 Stunden/Woche. Das Vollzeit-Äquivalent liegt bei sechs Stunden.'Dazu gibt es eine Reihe von Freiwilligen, die unterstützen, wenn ein paar Hände mehr gebraucht werden. 'bikes without barriers' lautet der Slogan von BBP.  Auch wenn die Räder längst rund laufen, treten wie bei jeder Unternehmensgründung im Hintergrund immer wieder Hürden auf, erzählt Krysia: "In unserem Fall ist das die Zahl der Refugees, die wir als Volunteers oder anschließend als Mitarbeiter dauerhaft an uns binden können. Hier sind wir unzufrieden, wissen aber auch, woran das liegt: Es ist schwierig gegen die offensichtlich von Regierungsseite landesweit gezielt gestreute Desinformation zu arbeiten, dass Geflüchtete ihr Aufenthaltsrecht verlieren, wenn sie als Volunteers tätig sind. Verheerend, denn gerade bei der freiwilligen Mitarbeit in Sozialunternehmen oder gemeinnützigen Organisationen geht es ja weniger um Arbeit, sondern vielmehr um Integration, Begegnung und Schaffen sicherer Räume."