Martin Pin ist gebürtiger Liverpooler und hat als Gästeführer gut zu tun - denn gerade an den Heimspielwochenenden des Liverpooler FC sind fast alle Hotels ausgebucht. Aber auch unter der Woche sind die Pubs, Cafés und zahlreichen Clubs im Baltic Triangle und der Innenstadt gut besucht, sowohl von Einheimischen als Tourist*innen. Die 550.000-Einwohner-Stadt kämpft längst nicht mehr gegen ihr negatives Image, Kreative und Clubbesitzer*innen viel mehr mit fortgeschrittener Gentrifzierung.
Was ist also seit also seit seit der tiefen Krise der Stadt in 70er und 80er-Jahren passiert? "Die Basis wurde schon in der Krise gelegt, vor 30 Jahren gelegt mit lokalen Projekten zur Stärkung der Nachbarschaften und Communities", erklärt Martin. Damals habe die Stadtverwaltung leer stehende Gebäude identifiziert. Einiges an Geld, dass über Landesförderungen für das schwache Nordengland zur Verfügung gestellt wurde, sei investiert worden, um Gemeindezentren zu schaffen.
Ein besonders eindrucksvolles, The Florrie, ist im Dingle zu besichtigen, einem Stadtteil, der unmittelbar an Toxteth mit seiner negativ konnotierten Geschichte grenzt. Das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1889, errichtet von Bernhard Hall, dem damaligen Bürgermeister der Stadt in Gedenken an seine vertorbene Tochter Florence, dient heute als Community-Center mit freien Sport- und Kunstkursen, kann aber auch für Veranstaltungen und Feiern angemietet werden. Eine Initiative aus Bürger*innen rettete das eindrucksvolle Gebäude vor einem drohenden Abriss und bespielt das Gebäude heute über eine Stiftung.
Martin betont: "Meine Sicht auf die Regeneration der Stadt ist, dass diese 'homegrown' ist, auf den vielen Freiwilligen beruht, die sich in ihrem Stadtteil organisieren und einsetzen. Wir sind eine sozialistische Stadt mit Graswurzelbewegungen, wie es sie vielleicht sonst nirgendwo im Land gibt." Darüber hinaus habe die Stadtverwaltung gute PR für Liverpool geleistet. Martin spricht im Bezug hierauf von einer Vision, die über die Jahre gezielt verfolgt wurde, lange bevor Liverpool 2008 den Status als europäische Kulturhauptstadt erhielt. Kunst, Kultur und Fußball, daneben das Anpreisen der Stadt als günstigem Unternehmensstandort. Daneben seien Gruppen und Quartiere vernetzt worden, um eine übergreifende Kommunikations-Strategie für schwache Quartiere wie Toxteth zu entwickeln. "Es gab zum Beispiel regelmäßig geführte Touren an verschiedenen Ecken der Stadt, in denen Anwohner*innen und Außenstehenden erklärt wurde, was sich gerade wo tut." Hinzu komme: "Liverpool ist eine multi-ethnische Stadt, was natürlich auch mit der dunklen Geschichte als Hauptstadt des Sklavenhandels zusammenhängt. Unsere Internationalität gibt der Stadt heute einen Teil des vibrierenden Flairs."
Allerdings: Die positive Entwicklung sei akut in Gefahr, der Druck auf die kreativen Freiräume in der Stadt steige. "Liverpools Charakter droht langsam aber sicher verloren zu gehen, weil Politik und Verwaltung bereits seit geraumer Zeit nicht mehr auf eine Stadt für Alle zu setzen scheinen."